Lieferkettengesetz: Antworten auf die wichtigsten Fragen

Im Juni 2021 hat der Bundestag das geplante Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verabschiedet. Doch was bedeutet das konkret für deutsche Unternehmen?

Das neue Lieferkettengesetz für eine nachhaltige Globalisierung

Egal, ob es um Nahrungsmittel, das neueste Smartphone oder den aktuellen Modetrend geht: Die Produkte, die wir jeden Tag kaufen und verwenden, sind das Ergebnis einer zunehmend globalisierten Welt. Dabei sind die globalisierten Lieferketten dieser Produkte häufig sehr anfällig für Menschenrechtsverletzungen verschiedenster Art.

Eines der Ziele des neuen Gesetzes besteht demzufolge darin, die Globalisierung von Lieferketten sozialer zu gestalten. Damit reiht sich das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz, in eine bereits lange Liste von nationalen sowie internationalen Gesetzen und Richtlinien, die sich damit befassen, die Einhaltung der Menschenrechte in der globalen Wirtschaft stärker zu verankern. Doch für welche Unternehmen gelten die neuen gesetzlichen Regelungen und ab wann treten sie in Kraft? Wie schaffen Unternehmen es, die Regelungen umzusetzen und worauf müssen Sie zukünftig achten? Wir haben die Antworten für Sie!

Was sind globale Lieferketten?

Die Lieferkette bezeichnet vereinfacht gesagt den gesamten Weg eines Produktes oder einer Dienstleistung vom Rohstoff über die Veredelung bis zum Endkunden. Global betrachtet beschreiben sie die wirtschaftliche Verflechtung der transnationalen Organisation von Gütern und Dienstleistungen. So reist ein T-Shirt beispielsweise rund 18.000 Kilometer um die Welt, bis es bei uns im Laden landet. In der damit verbundenen globalen Lieferkette sind über 450 Menschen beschäftigt. Streng genommen handelt es sich dabei jedoch nicht um eine Kette, sondern eher um ein Netzwerk von Organisationen, die am Wertschöpfungsprozess beteiligt sind.

Das Problem bei globalen Lieferketten: Sie bringen häufig schwerwiegende Missstände mit sich. Immer wieder werden Menschen, die an der Wertschöpfung beteiligt sind, Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit sowie Ausbeutung, Diskriminierung, fehlenden Arbeitsrechten und Umweltzerstörung ausgesetzt. Derartige Verletzungen führen zu einer Verschärfung der ohnehin oft prekären Menschenrechtssituation der jeweiligen Produktionsländer.

Diese Branchen sind besonders auf Leistungen aus anderen Ländern angewiesen:

  • Textil- und Modeindustrie
  • Elektronikbranche
  • Chemie- und Pharmaindustrie
  • Lebensmittelindustrie
  • Automobilindustrie
  • Maschinenbau

Gewusst: Deutschland ist so intensiv in internationale Lieferketten eingebunden wie keine andere Industrienation. Deutsche Unternehmen haben im Jahr 2020 im Import einen Umsatz von rund einer Billionen Euro erwirtschaftet.

Lesetipp: Erfahren Sie mehr über die Lieferkettenrisiken am Beispiel der Modeindustrie in unserem Blogartikel „Project Cece: Nachhaltige Zukunft für die Modeindustrie“.

Das neue Lieferkettengesetz im Überblick

Der am 3. März 2021 verabschiedete „Gesetzesentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ soll die Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette stärken. Er ist außerdem ein klares Signal an Unternehmen, Menschenrechte nicht gegen wirtschaftliche Interessen aufzuwiegen. Das Gesetz soll Unternehmen dazu bringen, Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten zu verhindern oder zumindest so schnell und effektiv wie möglich zu bekämpfen, falls dem Unternehmen ein Verstoß gemeldet wird.

Im Detail sieht das Gesetz folgende Änderungen für die Sorgfaltspflicht in internationalen Lieferketten vor:

  • Das Leben und die Gesundheit der Menschen müssen unversehrt bleiben.
  • Sklaverei und Zwangsarbeit sind auszuschließen.
  • Kinder müssen geschützt werden, Kinderarbeit ist zu unterbinden.
  • Die Menschen müssen vor Folter geschützt sein.
  • Der national geltende Arbeitsschutz im jeweiligen Land muss eingehalten werden. Dazu zählen ausreichende Sicherheitsstandards bei der Arbeit, Schutzmaßnahmen gegen Einwirkungen durch schädliche Stoffe, Verhinderung übermäßiger körperlicher und geistiger Ermüdung sowie eine angemessene Ausbildung und Unterweisung der Beschäftigten.
  • Eine angemessene Vergütung ist zu entrichten und die jeweils geltenden Mindestlohnregelungen sind einzuhalten.
  • Die Beschäftigten müssen gleichbehandelt werden und dürfen keinerlei Diskriminierung ausgesetzt sein.
  • Land, Wälder und Gewässer dürfen ihren Eigentümern nicht widerrechtlich entzogen werden.

In unserem Whitepaper können Sie sich einen kostenlosen Leitfaden zum Thema Human Rights Due Diligence (HRDD) in Bezug auf Menschenrechte herunterladen.

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Für wen gilt das Lieferkettengesetz und wann tritt es in Kraft?

Der Gesetzestext sieht vor, dass sowohl deutsche als auch ausländische Unternehmen, die in Deutschland eine Zweitniederlassung betreiben, unter die angekündigten Maßnahmen fallen. Das Lieferkettengesetz gilt ab dem 1. Januar 2023 für alle Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten. Ab 1. Januar 2024 tritt es zusätzlich für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigen in Kraft. Doch auch kleinere Unternehmen können betroffen sein: nämlich dann, wenn sie Teil einer Lieferkette von Großunternehmen sind.

Was passiert bei einem Verstoß gegen das Lieferkettengesetz?

Wird eine Verletzung von Menschenrechten bekannt, muss das Unternehmen unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergreifen, die den Missstand beenden. Kann das Unternehmen die Verletzung beim Zulieferer nicht zeitnah beenden, muss ein konkreter Plan erstellt werden, wie die Verletzung minimiert und vermieden werden kann. Zudem müssen Unternehmen Präventionsmaßnahmen einleiten.

Die Anforderungen an die Unternehmen bei der Einhaltung des Lieferkettengesetzes sind abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen unmittelbaren oder einen mittelbaren Zulieferer handelt: Im eigenen Geschäftsbereich, also auch bei allen Tochtergesellschaften und Beteiligungen, sowie bei direkten Zulieferern, gilt die Sorgfaltspflicht uneingeschränkt. Erhält das Unternehmen Kenntnis davon, dass Verstöße bei einem mittelbaren Zulieferer vorliegen, muss es die oben genannten Maßnahmen durchführen, die das Lieferkettengesetz vorsieht. Zudem werden bei der Abstufung die Art und der Umfang der Geschäftstätigkeit, das Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher der Verletzung und die typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung berücksichtigt.

Unternehmen, die gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen und gegen die ein Bußgeld verhängt wird, werden bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen. Zudem können NGOs und Gewerkschaften für betroffene Arbeitnehmende vor deutsche Gerichte ziehen, wenn es Verstöße gegen Standards in Lieferketten gibt.

Welche Sanktionen beinhaltet das neue Lieferkettengesetz?

Die Gesetzesvorlage sieht die Einführung von empfindlichen Bußgeldern und weiteren finanziellen Sanktionen vor. Es ermöglicht einerseits den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge, andererseits erhält das dafür zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen (BAFA) die Möglichkeit, gestaffelte Bußgelder von bis zu 800.000 Euro zu erteilen. Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro riskieren dabei sogar bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes als Geldbuße im Falle eines Verstoßes gegen das neue Gesetz.

Wer profitiert vom Lieferkettengesetz?

Vor allem Menschen, die in Ländern leben, die stark von Armut betroffen sind, könnten vom Lieferkettengesetz profitieren. So sind aktuell etwa 75 Millionen Kinder von ausbeuterischer Kinderarbeit betroffen. Der Lohnanteil einer Näherin eines Marken-T-Shirts liegt bei 0,6 Prozent. Pro Jahr werden 43 Millionen Tonnen Chemikalien in der Textilproduktion eingesetzt, die häufig gesundheitliche Schäden bei den Arbeitenden und den Menschen in der Umgebung auslösen. Wenn Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihrer Sorgfaltspflicht nachzugehen, könnten sich die Umstände vieler Menschen entlang der Wertschöpfungsketten verbessern.

Hierzulande profitieren vor allem Unternehmen vom Lieferkettengesetz, die bereits freiwillig Initiativen gestartet haben, um ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen. Durch Investitionen und möglicherweise höhere Preise für Endverbraucher hatten sie bisher einen Wettbewerbsnachteil. Womöglich könnte sich dieser Nachteil nun sogar zu einem Vorteil entwickeln: Sie haben bereits eine Infrastruktur in ihrer Lieferkette etabliert, die die Sorgfaltspflicht berücksichtigt und haben somit einen Vorsprung in der Umsetzung des Gesetzes.

Welche Kritik gibt es am Lieferkettengesetz?

Sowohl vonseiten der Wirtschaft als auch von Umweltverbänden und Menschenrechtsorganisationen kommt Kritik am Lieferkettengesetz.

Das kritisiert die Wirtschaft...

In Wirtschaftskreisen macht sich die Sorge breit, dass deutsche Unternehmen im europäischen Vergleich einen Wettbewerbsnachteil haben könnten, weil sie Standards einhalten müssen, die in anderen Ländern nicht gelten. Ein entsprechendes Gesetz auf EU-Ebene ist derzeit jedoch in Arbeit. Zudem kritisieren Wirtschaftsverbände, dass die Bußgelder für Verstöße sowie der bürokratische Aufwand zu hoch und unverhältnismäßig seien.

 Das kritisieren Menschenrechtsorganisationen...

Von Menschenrechtsorganisationen kommt Kritik, dass die Sorgfaltspflicht der Unternehmen abgestuft ist und somit nur für den eigenen Geschäftsbereich und die direkten Zulieferer uneingeschränkt gilt. Die gravierendsten Menschenrechtsverletzungen passierten jedoch häufig bei der Rohstoffgewinnung, wo das Gesetz nur bedingt greift. Die Tatsache, dass eine zivilrechtliche Haftung im Lieferkettengesetz ausgeschlossen ist, mache es den Betroffenen zudem noch schwieriger, rechtlich gegen Unternehmen vorzugehen.

Das kritisieren Umweltverbände...

Umweltverbände kritisieren, dass der Umwelt- und Klimaschutz im Gesetzentwurf kaum berücksichtigt wird. Die Verletzung von Umweltstandards verstößt nur dann gegen das Lieferkettengesetz, wenn dies unmittelbare Folgen für die Gesundheit der Menschen in der Umgebung hat – also beispielsweise, wenn Chemikalien ins Wasser geleitet werden und dadurch die Trinkwasserversorgung gefährdet ist.

Was Experten über das Lieferkettengesetz denken

Um einen detaillierten Überblick über das neue Lieferkettengesetz zu geben, organisierte LexisNexis im Juni 2021 ein Webinar mit Dr. Mina Aryobsei, Principal Associate bei Freshfields Bruckhaus Deringer und Thomas Becker, Business Development Manager Risk & Compliance bei der LexisNexis GmbH.

Fest steht: Das mit dem Lieferkettengesetz einhergehende Maßnahmenpaket ist laut Experten einzigartig und stellt die bis dato umfassendste Gesetzesvorlage zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in Lieferketten dar. Jedoch ist das Lieferkettengesetz nur Teil eines größeren Trends.

Der globale Trend zu mehr Nachhaltigkeit in Bezug auf menschenrechtliche, aber auch umweltspezifische Themen spiegelt sich nicht nur im bereits erwähnten gesetzlichen Trend wider. Das neue Lieferkettengesetz sowie weitere ähnliche Initiativen reflektieren einen umfangreicheren „Environmental Social and Governance“-Trend (ESG)Immer mehr Konsumenten und Investoren bevorzugen Unternehmen, die sich ihrer globalen Verantwortung bewusst sind. Darüber hinaus stärken Gesetzesinitiativen wie das Lieferkettengesetz die Wettbewerbsfähigkeit und die Resilienz von Unternehmen, welche sich bereits jetzt mit ihrer Verantwortung im Bereich der Menschenrechte und der Umwelt auseinandersetzen.

Das Lieferkettengesetz erfordert daher eine umfangreiche Evaluierung der bereits bestehenden Compliance und Due Diligence Programme sowie eine mögliche Anpassung an die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dabei ist vor allem eines wichtig: Es muss eine klare Verantwortungsstruktur geben, die Geschäftspartnern und Zulieferern deutliche Rahmenbedingungen für ihr Handeln und ihre eigene Verantwortung vorschreiben. So können Unternehmen rasch und entschieden potenziellen Risiken im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes begegnen.

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Wie setzen Unternehmen das Lieferkettengesetz um?

Die Gesetzesvorlage sieht eine umfassende Ausweitung der Sorgfaltspflichten vor. Unternehmen werden dazu verpflichtet, ihre Lieferkette anhand vorab identifizierter Risikobereiche wie zum Beispiel Kinderarbeit, organisierte Ausbeutung oder Zwangsarbeit, anlassbezogen oder zumindest einmal jährlich zu analysieren und auszuwerten. Zudem sieht das Gesetz eine verpflichtende Berichterstattung und Veröffentlichung der Menschenrechts- und Umweltstrategie vor.

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Was bedeutet das Lieferkettengesetz für das Supply-Chain-Management?

Das Supply-Chain-Management, also das Lieferkettenmanagement, hat die Aufgabe, den gesamten Wertschöpfungsprozess eines Produktes zu koordinieren, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Lieferanten, Distributoren und Verbrauchern.

Für das Supply-Chain-Management bedeutet das Lieferkettengesetz zunächst, dass Unternehmen ihren eigenen Geschäftsbereich und die direkten Zulieferer auf Verletzungen der Standards hin überprüfen müssen. Eine Überprüfung bis ins letzte Glied der Lieferkette verlangt das Gesetz nicht. Sollten Sie jedoch von Verstößen bei mittelbaren Lieferanten erfahren, müssen Sie handeln.

Diese Maßnahmen müssen Unternehmen nach dem Lieferkettengesetz umsetzen

Eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte verabschieden.

Eine Risikoanalyse durchführen, also ein Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte schaffen.

Ein Risikomanagement inklusive Abhilfemaßnahmen etablieren, um potenzielle Verletzungen der Menschenrechte abzuwenden.

Einen Beschwerdemechanismus einrichten.

Transparent öffentlich Bericht erstatten.

Weitere Fragen zum Lieferkettengesetz:

Was soll das Lieferkettengesetz bewirken?

Das Lieferkettengesetz verpflichtet aktive Abnehmer in Deutschland zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Vorgaben. Diese Vorgaben beziehen sich nicht nur auf den eigenen Tätigkeitsbereich, sondern sie verpflichten die Abnehmer auch, die Organisation der nationalen und internationalen Lieferketten zu berücksichtigen.

Muss ich meine Lieferanten auch nach der Geschäftsaufnahme weiter überprüfen?

Ja, Sie sollten Ihre Lieferanten regelmäßig erneut überprüfen (Ongoing Due Diligence). Eine einmalige Überprüfung garantiert nicht, dass sich die betroffenen Lieferanten an das neue Lieferkettengesetz halten.

Was muss ich beachten, wenn an der angestrebten Geschäftsbeziehung politisch exponierte Personen (PEP) beteiligt sein könnten?

Personen mit Beziehungen zu Behörden und Politikern sind oft besonders korruptionsgefährdet. Auch hier gilt es, im Rahmen des neuen Lieferkettengesetzes eine kontinuierliche Überprüfung und Evaluierung der möglichen Risiken zu garantieren.

Kann ich als Einzelperson zur Verantwortung gezogen werden, wenn mein Unternehmen mit den falschen Lieferanten zusammenarbeitet?

Grundsätzlich besteht keine prinzipielle Haftung entlang der Lieferkette. Jedoch gibt es bei Verdacht auf mögliche Verstöße eine abgestufte Haftung gegenüber mittelbaren Lieferanten.

Wird es durch das neue Lieferkettengesetz zu Änderungen in der Prozessführung kommen?

Ja, mit dem Beschluss des Lieferkettengesetz wird es verletzten Personen ermöglicht, sich durch deutsche Gewerkschaften oder NGOs vertreten zu lassen.

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