Menschenrechts-Due-Diligence: Eine Fallstudie zu Reputationsrisiken und Chancen

Von: Thomas Becker

Laut einer Untersuchung der Ethical Corporation1 aus dem Jahr 2016 gaben fast 50 % der Unternehmen an, dass Menschenrechte in diesem Jahr ihr wichtigstes Supply-Chain-Thema seien. Seit 2011 gibt es mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights, UNGPs) einen globalen Standard. In diesem Beitrag stellen wir das Beispiel eines internationalen Unternehmens vor, das Menschenrechtsprobleme aus der Vergangenheit aufarbeiten muss, aber in den letzten Jahren einer der Vorreiter bei der Einführung einer ständigen Menschenrechts-Due-Diligence war.

UNGPs – der globale Rahmen

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs)2 wurden 2011 verabschiedet. Sie stellen das maßgebliche internationale Rahmenwerk für Wirtschaft und Menschenrechte dar und basieren auf den drei Säulen „Protect, Respect, Remedy" („Schutz, Achtung und Rechtsmittel"):

  • der Pflicht des Staates zum Schutz der Menschen vor Menschenrechtsverstößen;
  • der Unternehmensverantwortung zur Achtung von Menschenrechten; der Verantwortung von Unternehmen, zu vermeiden, dass die Rechte anderer verletzt werden, und mögliche negative menschenrechtliche Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu beenden;
  • der Notwendigkeit, Betroffenen besseren Zugang zu effektiven Rechtsmitteln zu verschaffen, eine Aufgabe des Staates und der Unternehmen.

Unternehmensverantwortung zur Achtung von Menschenrechten

Um ihrer Verantwortung zur Achtung von Menschenrechten gerecht zu werden, müssen Unternehmen gemäß UNGP15 über je nach Größe und Umständen geeignete Richtlinien und Prozesse verfügen. Dazu gehören:

  • eine Selbstverpflichtung, ihrer Verantwortung nachzukommen, die Menschenrechte zu achten;
  • ein Menschenrechts-Due-Diligence-Prozess, um menschenrechtliche negative Auswirkungen zu ermitteln, ihnen vorzubeugen, sie zu senken und alle Aktivitäten im Zusammenhang mit den menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu dokumentieren;
  • Prozesse, um Abhilfemaßnahmen für etwaige menschenrechtliche Auswirkungen zu ergreifen, die das Unternehmen verursacht oder zu denen es beiträgt.

Die Leitliniendes Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte (United Nations Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) zur Umsetzung der UNGPs raten, während des Aufbaus einer neuen Geschäftstätigkeit oder -beziehung möglichst früh eine Menschenrechts-Due-Diligence anzustoßen. Grund dafür ist, dass Menschenrechtsrisiken bereits während der Erarbeitung von Verträgen und anderen Vereinbarungen erhöht oder gesenkt oder im Zuge von Fusionen oder Übernahmen geerbt werden können.

Andere Arten von Due Diligence sind häufig mit einer konkreten Transaktion verknüpft und werden nur anlassbezogen durchgeführt. Menschenrechts-Due-Diligence hingegen sollte „laufend durchgeführt werden, da sich mit der Weiterentwicklung der Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens und Änderungen des betrieblichen Umfelds auch Menschenrechtsrisiken verändern können" (UNGP17).

Fallbeispiel: Nestlé, moderne Sklaverei und Menschenrechts-Due-Diligence

In den letzten Jahren sind weltweit die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Menschenrechts-Berichterstattung gestiegen. Gleichzeitig wurden die straf- und zivilrechtlichen Bestimmungen für die Verantwortlichkeit von Unternehmen für Tätigkeiten ihrer Lieferanten und Subunternehmer verschärft. Gemäß den OHCHR-Leitlinien zu den UNGPs können auch wegen des Vorwurfs, ein Unternehmen habe zu einem Schaden beigetragen, Zivilklagen angestrengt werden.

Ein Beispiel, das das zeigt und die Bedeutung kontinuierlicher Due Diligence und Überwachung unterstreicht, ist der Fall Doe vs. Nestle SA: Sechs Männer aus Mali verklagen Nestlé vor einem US-Gericht (ein erster Versuch war gescheitert). Die Männer in den Zwanzigern/Dreißigern haben Klage eingereicht, weil sie als Kinder zur Ernte von Kakaofrüchten auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste gezwungen wurden. Die Plantagen belieferten internationale Schokoladenkonzerne. Die Männer vertreten die Ansicht, Nestlé müsse von Menschenrechtsverletzungen in den Betrieben der Lieferanten gewusst haben.

Laut eines Berichts von Bloomberg3 steht in der Anklageschrift, die Jungen hätten „14 Stunden am Tag gearbeitet, unter Aufsicht eines bewaffneten Wachmanns, sechs Tage die Woche, ohne Bezahlung. Sie haben in verschlossenen Räumen auf dem Fußboden geschlafen und nur Lebensmittelreste zu essen bekommen. Wer versucht hat zu fliehen, wurde verprügelt oder gezwungen, Urin zu trinken. Manchen wurden die Füße aufgeritzt und Salz oder Pfeffer in die Wunden gestreut."

Die Reaktion von Nestlé

In Zusammenarbeit mit der Fair Labor Association (FLA) nahm Nestlé 2012 den Kampf gegen Kinder- und Zwangsarbeit in ihrer Kakao-Lieferkette auf. Die FLA ist ein gemeinnütziger Zusammenschluss verschiedener Stakeholder und will große Unternehmen dabei unterstützen, die Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten zu verbessern. Nestlé und die FLA entwickelten gemeinsam einen Aktionsplan4, um Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferkette vorzubeugen.

Die FLA empfahl Nestlé, „ein robustes und umfangreiches internes Überwachungs- und Abhilfesystem zu entwickeln, das alle Faktoren der Lieferkette (einschließlich Bauern, Naturalpächtern, Landarbeitern und ihren Familien) abdeckt". Nestlé arbeitet mit der International Cocoa Initiative zusammen, um ein solches System zu entwerfen und einzuführen.

Das steht in Einklang mit UNGP13, demzufolge Unternehmen einen Menschenrechts-Due-Diligence-Prozess einführen müssen, der über die wahrnehmbaren Risiken für das Unternehmen hinausgeht und auch Risiken für Rechteinhaber umfasst. Zusätzlich zu den direkten Auswirkungen ihrer eigenen Geschäftstätigkeiten sollen Unternehmen sich außerdem „bemühen, negative menschenrechtliche Auswirkungen ihrer Geschäftspartner zu verhindern oder zu mindern, die unmittelbar mit ihren Aktivitäten, Produkten oder Leistungen verbunden sind, auch wenn sie nicht selbst dazu beigetragen haben".

Nestlé und die UNGPs

2015 war Nestlé neben Unilever, Ericsson, H&M, Newmont und ABN AMRO eines der ersten sechs Unternehmen, die sich dem UNGP-Rahmenwerk zur Berichterstattung(UNGP Reporting Framework) anschlossen. Dieses Rahmenwerk baut auf den UNGPs auf. Mit Blick auf die Unternehmensverantwortung zur Achtung der Menschenrechte als Säule der UNGPs sieht das Rahmenwerk eine Reihe direkter Fragen vor. Unternehmen müssen eine Antwort auf diese Fragen haben, um zu wissen und zu zeigen, dass sie in der Praxis Menschen­rechte achten. Die Datenbank des Rahmenwerks umfasst zurzeit 67 Unternehmen, darunter die größten Unternehmen (nach FT 500) der Bekleidungsindustrie, des Bankwesens und der Finanzdienstleistungsbranche, der Rohstoffindustrien, der Lebensmittel- und Getränke­industrie sowie des IKT- und des Tabaksektors. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass sich die UNGPs als weltweiter Standard für Wirtschaft und Menschenrechte durchgesetzt haben.

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1 Human Rights is top supply chain issue for companies, ethicalcorp.com, 02.09.2016
2 Guiding Principles on Business and Human Rights, ohchr.org
3 Child slavery claims against Nestlé, Cargill get one more chance, Bloomberg.com, 09.01.2017
4 Nestlé Action Plan on the Responsible Sourcing of Cocoa from Côte d'Ivoire, 29.06.2012
5 ungpreporting.org Year 2014, corporate.walmart.com

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