Nachhaltigkeit auf dem Vormarsch: Was bedeutet die ESG Offenlegungsverordnung für Unternehmen in Europa?

Von: Thomas Becker

Die seit März 2021 gültige Offenlegungsverordnung der Europäischen Union (EU) stellt die bis dato ambitionierteste Transparenzoffensive für nachhaltige Finanzprodukte dar.1 Mit dem neuen Gesetz, auch Sustainable Finance Disclosure Regulation oder SFDR genannt, möchte die EU Greenwashing im Finanz- und Bankensektor noch effektiver bekämpfen. Vor allem das anhaltende Wachstum im Bereich von ESG-(Environmental, Social and Governance) Produkten erfordert von Unternehmen ein erhöhtes Transparenzbewusstsein und eine verstärkte Sorgfaltspflicht.

ESG auf der Überholspur

Weltweit stellen Regierungen, Unternehmen, und Zivilgesellschaftliche Organisationen bereits heute bemerkenswerte Weichen, um den Weg zu einer nachhaltigeren und besseren Zukunft zu ebnen. Ausschlaggebend dafür sind unter anderem die Ziele für nachhaltige Entwicklung (auch Sustainable Development Goals oder SDGs genannt) der Vereinten Nationen, welche 2015 von der UN-Generalversammlung als Agenda 2030 verabschiedet wurden.2 Die SDGs sind auch für die EU von zentraler Bedeutung, hat sich die Staatengemeinschaft doch zum Ziel gesetzt die langfristige Wettbewerbsfähigkeit durch ressourceneffiziente und nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu stärken.

Dieser weltweite Trend zu mehr Nachhaltigkeit sowie Verantwortung im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes spiegelt sich auch im rasant wachsenden ESG-Markt wider. Eine erst kürzlich veröffentlichte Prognose schätzt, dass der ESG-Markt im Jahr 2025 bereits 50 Billionen US-Dollar betragen wird, mehr als ein Drittel des gesamten weltweit verwalteten Vermögens.3

Welche Neuerungen bringt die SFDR?

Vor allem dem Finanz- und Bankensektor fällt bei der Erreichung der SDGs eine wichtige Rolle zu. Dabei geht es einerseits um die Finanzierung und Umsetzung von ESG-Projekten und andererseits um den Übergang zu einer nachhaltigeren und treibhausgasärmeren Wirtschaft.

Die Europäische SFDR Verordnung stellt deshalb einen wichtigen Meilenstein für die Transparenz und die Harmonisierung von Offenlegungsanforderungen im Nachhaltigkeitsbereich des Finanzdienstleistungssektors dar, da sie Nachhaltigkeit nicht nur am Erreichen von Umwelt- oder Klimazielen misst. Auch die Erreichung von sozialen Zielen, zum Beispiel in Bezug auf Arbeitsbedingungen und die Einhaltung der Menschenrechte, sowie eine transparente Unternehmensführung stellen wichtige Eckpfeiler der neuen Verordnung dar. Im Detail gibt es durch die SFDR seit 10. März 2021 eine Veröffentlichungspflicht für folgende Informationen:

  • Unternehmensstrategien mit Bezug zu Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungsprozessen
  • Offenlegung von potenziellen negativen Nachhaltigkeitsauswirkungen, inklusive einer Erklärung für deren Berücksichtigung oder eine Begründung für deren Nichtberücksichtigung (auch „comply or explain“ genannt)
  • Einhaltung von internationalen Standards der Sorgfaltspflicht, sowie die dazugehörige Berichterstattung

Mit der Einführung dieser Transparenzoffensive sieht sich die Europäische Kommission in ihrer Schlüsselrolle, die Wirtschaftszone der EU noch nachhaltiger zu gestalten, weiter gestärkt. Gemeinsam mit dieser Veröffentlichungspflicht stellt die SFDR jedoch auch eine neue Kategorisierung von Finanzprodukten in Aussicht. Seit März 2021 müssen Finanzprodukte in drei Kategorien unterteilt und identifiziert werden:

  1. Finanzprodukte mit ökologischen oder sozialen Merkmalen
  2. Nachhaltige Finanzprodukte mit einer angestrebten Nachhaltigkeitswirkung
  3. Sonstige Finanzprodukte

Die Veränderungen, welche die neue Verordnung mit sich bringen, kommen weder unvorbereitet noch ohne Vorwarnung für den Finanz- und Bankensektor. Gerade im Hinblick auf den European Green Deal4 und die wachsenden Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel hat sich das öffentliche und politische Bewusstsein in den letzten Jahren drastisch gewandelt. Sowohl Investoren als auch Konsumenten schenken Produkten mehr Aufmerksamkeit, die ESG-Faktoren berücksichtigen und fördern.

Europa als ESG-Vorreiter

Mit der SFDR Verordnung versucht die EU deshalb wieder einmal ihre Vorreiterrolle im Bereich der Nachhaltigkeits- und Transparenzpolitik auszubauen, indem sie Unternehmen dazu verpflichtet, ihr tatsächliches ESG-Engagement transparent aufzuschlüsseln, um Missbrauch so wie Greenwashing zu verhindern. Jedoch ist es nicht nur die EU selbst, sondern auch deren Mitgliedsstaaten und andere Europäische Länder, die sich vermehrt mit ESG-Themen auseinandersetzen. Das Ergebnis ist ein immer dichter werdendes Netz an gesetzlichen Anforderungen und Standards im Bereich der Sorgfaltspflicht und ESG-Compliance:

  • Bereits 2015 verabschiedete das britische Parlament den Modern Slavery Act. Die damit verpflichteten regelmäßigen Unternehmensberichte sollen das Risiko von Kinderarbeit, organisierter Ausbeutung und anderen Menschenrechtsverletzungen nachhaltig vorbeugen und vermindern.
  • 2017 führte Frankreich ein Gesetz zur Identifizierung und Sanktionierung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ein.
  • Im November 2020 stimme die Schweizer Bevölkerung für die Einführung von ESG-Berichts- und Sorgfaltspflichten nach EU-Vorbild.
  • Mit dem kürzlich beschlossenen Lieferkettengesetz verpflichtet die deutsche Bundesregierung Unternehmen, welche in Deutschland wirtschaften erstmals zu einer umfassenden Überprüfung ihrer Lieferketten in Bezug auf potenzielle Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden.

Schon heute ist klar, dass es kein Zurück mehr gibt. Die gesetzlichen Initiativen sowie wirtschaftlichen Produkte im Bereich ESG werden sich auch weiter vervielfachen. Auch das Interesse von Investoren und Konsumenten an Unternehmen, welche sich ernsthaft mit nachhaltigen Lösungen und Produkten auseinandersetzen wird weiter steigen. Finanzdienstleister, die sich bereits heute mit diesen neuen Anforderungen und potenziellen Herausforderungen auseinandersetzen, werden auch in Zukunft von dem nun aufgebauten Vertrauen profitierten. Um mögliche gesetzliche, rufschädigende, oder strategische Rückschläge zu vermeiden ist es daher wichtig ein umfassendes und robustes Sorgfaltspflichten- und Compliance-Management zu etablieren, welches darauf achtet alle nationalen und internationalen Pflichten zur Offenlegung und Einhaltung von ESG-Gesetzen sorgfältig nachzukommen.

Nächste Schritte:

  1. Finden Sie heraus, wie Nexis Diligence+ Ihrem Unternehmen dabei helfen kann neue ESG-Gesetze und -Initiativen rechtzeitig umzusetzen.

1 Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, eur-lex.europa.eu, 09.12.2019
2 Ziele für Nachhaltige Entwicklung - Agenda 2030 der UN, 17ziele.de, 16.08.2021
3 Asset Managers Find Greenwashing ‘Blind Spots’ in EU Rules, bloomberg.com, 09.08.2021
4 A European Green Deal - Striving to be the first climate-neutral continent, ec.europa.eu, 14.07.2021

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